Menschlichkeit bleibt analog

Kolumne von Eckart von Hirschhausen darüber, warum KI keinen Menschen ersetzen kann.

Liebe alverde-Lesende, 

wie geht es Ihnen? Nachdem ich all die Texte in dieser alverde-Ausgabe gelesen hatte, überlegte ich kurz: Warum schreibe ich diese Kolumne eigentlich noch selbst, statt einfach eine künstliche Intelligenz (KI) den Job machen zu lassen? Machen Computer Menschen überflüssig? 

Das ging mir schon so, als ich für die ARD-Dokumentation „Medizin von morgen“ das erste Mal an der Universität Marburg einem virtuellen Arzt gegenübersaß und ihm eine echt knifflige Kombination von Symptomen schilderte: Taubheitsgefühl in den Händen und eine heisere Stimme. Jeder „normale“ Arzt hätte erst auf etwas Neurologisches getippt und wegen der Heiserkeit zum HNO-Arzt überwiesen. Aber die KI brauchte keine zwei Sekunden, um auf die eine Krankheit zu kommen, die beides gleichzeitig auslösen kann: Amyloidose. 

Ich war perplex. Die Maschine hat sämtliche medizinische Fachliteratur der letzten Jahre intus, vergisst nix, erkennt Muster. Gerade für seltene Erkrankungen laufen viele Patienten zu verschiedenen Praxen und Spezialisten, es dauert Jahre, bis endlich jemand diese Verknüpfung macht. 

Künstliche Intelligenz braucht viele Ressourcen

Risiken und Nebenwirkungen? Ein unerwünschter Effekt ist der enorme Energieverbrauch. KI wird ohne den Fokus auf wirklich intelligenten Einsatz durch ihren Stromhunger zum Klimakiller. Denn so schnell wie Rechner und Speicher gerade neu gebaut, betrieben und gekühlt werden, so schnell kommen die Erneuerbaren nicht nach. Solange Stromerzeugung dreckig ist, ist jede Anwendung dreckig und ein echtes Problem für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Bis 2030 verdreifacht sich allein in Europa der Strombedarf. 

Konzerne wie Google oder Microsoft versprachen in diesem entscheidenden Jahrzehnt, ihren Fußabdruck schrittweise auf null zu reduzieren. Sie mussten kürzlich zugeben, dass sie nicht weniger verbrauchen, sondern massiv mehr. Jede Suchanfrage per ChatGPT braucht zehnmal mehr als eine bei Google oder Ecosia. Ecosia kennen Sie? Das ist die Suchmaschine, die keine Daten verkauft, sondern Bäume pflanzt. Alles hat helle und dunkle Seiten. 

Dank Algorithmen existieren Fake-Bilder

Und auch eine sehr bunte ist beim genauen Hinsehen düster. Betrüger erstellen dank KI brillante Fakes. Aktuell kursieren von mir jede Menge gefälschte Videos, Social-Media-Posts und Werbeanzeigen, in denen ich angeblich Medikamente, Nahrungsergänzung und sogar Potenzmittel anpreise. Wenn Sie so etwas sehen, bitte nicht klicken, nicht bestellen, es ist Betrug. Leider gut gemacht. Meine Stimme ist künstlich erzeugt, aber fast synchron mit den Lippenbewegungen. 

Jeden Tag melden sich Menschen bei mir, die darauf hereingefallen sind. Juristisch ist es extrem zäh. Die Plattformen haben leider kaum Interesse, gegen die Falschinformationen vorzugehen, weil alles, was geklickt wird, ihnen Geld bringt. So wird im KI-Zeitalter immer wichtiger, wem man vertraut und wem nicht. Und dafür braucht es natürliche und emotionale Intelligenz VOR dem Bildschirm: in Ihrem Kopf und Ihrem Herzen. Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, ist es meistens nicht wahr. Und wenn eine Pille erfunden würde, die alle Gefäße vollständig reinigt, käme das in der Tagesschau und nicht bei Facebook, X, Instagram, TikTok oder YouTube. 

Eine humane Humanmedizin sollte weiter mit Menschlichkeit und echtem Mitgefühl verbunden sein. Nicht nur mit dem WLAN und der Festplatte. Und so wird der Bedarf an echten Ärztinnen und Ärzten auch nicht aufhören. Denn so gut KI in der Blitzdiagnose werden mag: Was die Diagnose für mein Leben bedeutet, das möchte ich doch mit einem Gegenüber mit Hirn und Herz besprechen. Und deshalb danke an dieser Stelle auch für die kontinuierliche hilfreiche Kooperation von dm mit „Humor Hilft Heilen“. Denn was KI auch nie ersetzen können wird: echten empathischen Humor im Krankenhaus. Lachen sehen habe ich den KI-Arzt nie! 

Ihr
Eckart von Hirschhausen