Die Trotzphase, oder besser: Autonomiephase

Ein natürlicher Schritt der kindlichen Entwicklung
Wenn Du im Alltag mit Deinem Kleinkind immer wieder emotional herausfordernden Situationen begegnest, dann durchlebt ihr wahrscheinlich gerade die Autonomiephase. Diese Phase kann zwar herausfordernd sein, ist aber ein völlig normaler und gesunder Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Sie stellt einen wichtigen Schritt in der Entfaltung der Persönlichkeit Deines Kindes dar. Wie Du Deinem Kind auf dieser Reise zur Selbstständigkeit liebevoll zur Seite stehst (und selbst möglichst entspannt bleibst 😉), erfährst Du hier.
Was bedeutet die Autonomiephase?
In der Kindheitspädagogik ist die Autonomiephase bekannt als eine Zeit, in der Kinder zunehmend selbstständiger werden und anfangen, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und zu äußern. Sie lernen, ihre Wünsche zu artikulieren und sie durchzusetzen. Wenn das nicht gelingt (oder gelingen kann), kann es zu Frustration und Stress für das Kind kommen.
Die Autonomiephase ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines Kindes. In dieser Phase entdecken Kinder ihre eigene Identität und entwickeln ein Bewusstsein für ihr „Ich“. Gleichzeitig werden sie mit negativen Gefühlen wie Wut, Frustration und Traurigkeit konfrontiert.
Für Eltern kann diese Phase eine Herausforderung sein und erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Es ist eine Zeit, die ähnliche Herausforderungen mit sich bringt wie die Pubertät, aber es ist auch eine Chance, das Kind in seiner Entwicklung emphatisch zu begleiten und zu unterstützen und dadurch die Bindung und Beziehung zueinander zu stärken.
Es ist wichtig zu wissen, dass diese emotionalen Zustände besonders intensiv auftreten oder sich häufen können, wenn Dein Kind müde, hungrig oder in besonderem Maße nach Nähe und Zuneigung verlangt. Diese Faktoren können die Gefühle des Kindes verstärken und zu intensiveren Ausdrücken von Frustration und Unzufriedenheit führen.
Autonomiephase – wann beginnt sie?
Autonomiephase – wann beginnt sie?
Der Beginn der Autonomiephase kann von Kind zu Kind variieren: Bei den meisten Kleinkindern zeigt sich diese Phase ab dem Alter von zwei Jahren. Das dritte Lebensjahr wird oft als Höhepunkt dieser Phase gesehen, in dem die Selbstständigkeitsbestrebungen und damit verbundenen emotionalen Ausdrücke besonders ausgeprägt sind. Es gibt aber auch Kinder, die erst mit drei Jahren beginnen, ihre Unabhängigkeit und damit verbundenen Gefühle intensiver zum Ausdruck zu bringen.
Autonomiephase – wie lange dauert sie?
Autonomiephase – wie lange dauert sie?
Die Dauer der Autonomiephase kann von Kind zu Kind unterschiedlich sein und lässt sich nicht pauschal festlegen. In der Regel klingt diese Phase bis zur Einschulung ab. Zu diesem Zeitpunkt haben die Kinder in der Regel gelernt, wie sie mit äußeren Grenzen umgehen können und sich an soziale Verhaltensregeln anpassen können.
Darüber hinaus ist diese Phase auch eine wichtige Zeit, in der Kinder lernen, ihre Gefühle zu verstehen, einzuordnen und zu kanalisieren. Sie lernen, ihre Emotionen zu erkennen, zu benennen und auf gesunde Weise auszudrücken. Dies ist ein wichtiger Schritt in ihrer emotionalen Entwicklung und trägt dazu bei, dass sie zu emotional kompetenten Erwachsenen heranwachsen.
Autonomiephase bei Kindern – Mögliche Auslöser für Gefühlsausbrüche
Die Ausdrucksformen von starken Emotionen, die wir in der Autonomiephase erleben, treten oft auf, wenn die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden können und das Kind lernt, seine Gefühle zu kanalisieren und einzuordnen. Dies kann in verschiedenen Alltagssituationen auftreten, etwa wenn:
- Das Kind seine Unabhängigkeit ausdrücken möchte, z.B. durch selbstständiges Handeln oder Entscheidungen treffen.
- Es mit Grenzen konfrontiert wird, die es noch nicht ganz versteht oder akzeptieren möchte, wie z.B. das Zubettgehen oder Sicherheitsregeln.
- Es mit Situationen konfrontiert wird, die seine Wünsche und Bedürfnisse nicht erfüllen, wie z.B. das Teilen von Spielzeug oder das Beenden von Lieblingsaktivitäten.
- Der Übergang zu anderen Aktivitäten oder Terminen (vor allem unter Zeitdruck)
In dieser Phase der Entwicklung handeln Kinder oftmals noch stark ich-bezogen. Dies ist ein natürlicher und wichtiger Teil ihrer Selbstfindung und Identitätsbildung. Sie entdecken ihre eigene Persönlichkeit und Individualität und lernen, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern.
Es ist unsere Aufgabe als Eltern, ihnen zu helfen, diese Gefühle einzuordnen, zu navigieren und sie dabei zu unterstützen, ihre Unabhängigkeit auf eine gesunde und positive Weise zu entdecken.
Trotzphase: 7 Tipps
Ein Patentrezept für den Umgang mit Kindern in der Autonomiephase gibt es leider nicht. In erster Linie gilt es, Ruhe zu bewahren und den Wutanfall Deines Kindes vor allem nicht persönlich zu nehmen.
Gefühle kommunizieren
Gefühle kommunizieren
Sprich mit Deinem Kind über Gefühle und lest gemeinsam Bücher, die verschiedene Gefühlszustände kindgerecht thematisieren. Drücke im Alltag Deine und die Gefühle Deines Kindes verbal aus. Das hilft Deinem Kind sehr, eigene Emotionen einzuordnen und den Umgang mit Ihnen zu lernen.
Bedürfnisse erkennen und Wünsche unterscheiden
Bedürfnisse erkennen und Wünsche unterscheiden
Häufig steckt hinter einer emotionalen Reaktion ein ursächlich anderes Bedürfnis, zum Beispiel Müdigkeit, Hunger oder das Bedürfnis nach Nähe, vor allem bei noch jüngeren Kindern.
Ruhige Ansprache
Ruhige Ansprache
Egal, wie laut Dein Kind schreit und wie stark es um sich schlägt, bewahre Ruhe und erhebe auf keinen Fall die Stimme. Fokussiere Dich in dieser Situation auf Dich – oftmals hilft es, tief durchzuatmen und sich bewusst zu machen, dass Dein Kind seine Gefühle entwicklungsbedingt nicht anders ausdrücken kann.
Aushalten und begleiten
Aushalten und begleiten
Auch wenn der erste Impuls besteht, das Kind ablenken zu wollen oder „wenn, dann…“-Sätze anzubringen: Langfristig solltest Du Deinem Kind die Möglichkeit geben, seine Gefühle zu durchleben und wahrzunehmen. Biete ihm an es in den Arm zu nehmen. Schütze Dein Kind in jedem Fall vor Selbstverletzung, zum Beispiel wenn es seinen Kopf auf den Boden schlägt.
Emotionale Unterstützung und Liebe
Emotionale Unterstützung und Liebe
Während und nach einem Wutanfall wissen Kinder oft gar nicht, wie ihnen geschieht. Sie fühlen sich hilflos und brauchen nun Zuneigung und Trost. Falls Dein Kind es zulässt, nimm es in den Arm und beruhige es.
Nicht schimpfen oder bestrafen
Nicht schimpfen oder bestrafen
Drohungen und Bestrafungen sind bei Wutanfällen in der Trotzphase nutzlos und führen nur zu noch mehr Wut und Hilflosigkeit, sowohl bei Dir als auch bei Deinem Kind. Natürlich ist auch physische Gewalt absolut tabu. Beides würde die Situation nur verschlimmern und nachhaltig Deinem Kind emotional schaden.
Rückzugsraum schaffen
Rückzugsraum schaffen
Wut ist eine Emotion wie Angst oder Freude. Es ist wichtig, dass Dein Kind seinen Ärger rauslässt und nicht in sich hineinfrisst. Schaffe eine „Wutecke“, zum Beispiel im Kinderzimmer. Hier darf Dein Kind in Kissen schlagen oder mit Softbällen um sich werfen. Dein Kind sollte dabei die Nähe und Begleitung einer Bezugsperson angeboten bekommen und niemals alleine seine Gefühle aushalten müssen.
Kompromisse finden
Kompromisse finden
Dein Kind möchte selbst entscheiden, ob es im Sommer lange Kleidung trägt oder seinen Schlafanzug anlässt? Hinterfrage, ob gewisse Denkmuster in Deiner Erziehung oder Konventionen hinter Deiner Meinung stehen und überlege, wie ein Kompromiss aussehen kann.
Klare Ansagen machen
Klare Ansagen machen
Wenn Dein Kind schon vorher weiß, was es erwartet, ist die Wahrscheinlichkeit eines Wutanfalls geringer. Beispiel: Sag ihm, es darf sich eine Süßigkeit im Supermarkt aussuchen. Aber auch nicht mehr. Es wird nun damit beschäftigt sein, zu überlegen, was es nehmen soll.
★ glückskind-Tipp ★ Oft entstehen Konflikte, weil man unter Zeitdruck steht. Dein Kind will seine Schuhe selbst anziehen, aber das dauert seine Zeit. Es möchte noch eine Runde schaukeln, aber ihr seid schon zu spät.
Plane daher immer ausreichend Zeit ein und erkläre Abläufe kindgerecht in kurzen Sätzen, vor allem morgens, wenn es meist sowieso hektisch wird. Dabei helfen können auch Visualisierungen, e Langfristig ist dies oftmals eine gute Strategie für beide Seiten, Dein Kind im Alltag so gut wie möglich zu partizipieren.
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Ruhe bewahren: Wie wir unseren eigenen Emotionen begegnen
Es ist ganz normal, dass die Autonomiephase unserer Kinder uns als Eltern manchmal an unsere Grenzen bringt. Jedem Elternteil geht es damit ähnlich und es ist total normal, sich auch überfordert zu fühlen. Wichtig ist, dass wir in solchen Momenten einen Schritt zurücktreten und uns um unsere eigenen Emotionen kümmern. Hier sind einige Tipps, die Dir dabei helfen können:
- Tief durchatmen: Atme tief in den Bauch und konzentriere Dich auf Deine Atmung, führe Dir vor Augen, dass Dein Kind seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat.
- Entscheidungen hinterfragen und Kompromisse finden: Versuche, Deine eigenen Entscheidungen und Regeln zu hinterfragen. Vielleicht gibt es Bereiche, in denen Du flexibler sein könntest oder in denen ein Kompromiss möglich wäre. Das kann helfen, Konflikte zu vermeiden und Dein Kind in seiner Autonomie zu unterstützen.
Eigene Trigger identifizieren und hinterfragen: Wir alle haben bestimmte Trigger, die auf unsere eigene Erziehung und Beziehung zu unseren Eltern zurückgehen. Wenn Du merkst, dass Du besonders stark auf bestimmte Verhaltensweisen Deines Kindes reagierst, könnte das ein Hinweis auf einen solchen Trigger sein. Versuche, diese Trigger zu identifizieren und zu hinterfragen. Das kann Dir helfen, besser auf die Bedürfnisse Deines Kindes einzugehen und Konflikte zu vermeiden.
Indem wir uns der Bedürfnisse unseres Kindes und unserer eigenen emotionalen Reaktionen bewusst werden, können wir eine unterstützende und liebevolle Umgebung schaffen, die unserem Kind hilft, sich sicher und verstanden zu fühlen.Verstehe die Bedürfnisse hinter dem Wutanfall: Oft liegt hinter dem offensichtlichen Grund für einen Wutanfall ein anderes Bedürfnis, das Dein Kind gerade nicht erfüllt bekommt. Dein Kind könnte hungrig, müde oder einfach nur bedürftig sein und emotionale Unterstützung brauchen. Anstatt den Wutanfall zu ignorieren, versuche zu verstehen, was Dein Kind wirklich braucht und biete ihm die nötige Unterstützung an. Das kann helfen, den Wutanfall zu beruhigen und Dein Kind zu trösten.
Abwarten und sich gut zureden: Denk daran, wie süß und lustig Dein Kind sonst ist und mach Dir bewusst, dass die Autonomiephase normal ist und irgendwann vorbeigeht.
Zimmer verlassen: Merkst Du, dass Du mit den Nerven am Ende bist: gehe kurz in ein anderes Zimmer. Die räumliche Distanz bringt Ruhe in die Situation. Du solltest Dein Kind natürlich nicht lange allein lassen.
Während der Autonomiephase erfährt Dein Kind das Bestreben nach Selbstständigkeit und Selbstbestimmung.
Autonomiephase bei Kindern: Die Balance zwischen Grenzen und Freiraum
Obwohl es wichtig ist, Verständnis und Empathie für die Gefühle und Bedürfnisse Deines Kindes zu zeigen, ist es gleichzeitig wesentlich, klare und konsistente Grenzen zu setzen. Kinder müssen lernen, ein „Nein“ zu akzeptieren, auch wenn sie es vielleicht noch nicht immer verstehen können. Dieses Verständnis für Grenzen hilft ihnen, sich sowohl als Kind als auch später als Erwachsener in ihrem sozialen Umfeld zurechtzufinden.
Mit der Zeit lernen Kinder, ihre Emotionen zu kontrollieren, zu kanalisieren und verbal auszudrücken. Dies ist ein wichtiger Teil ihrer emotionalen Entwicklung und ein Zeichen dafür, dass sie lernen, ihre Gefühle auf gesunde Weise zu handhaben.
Gleichzeitig ist es wichtig, die wachsende Selbstständigkeit Deines Kindes zu respektieren und zu fördern. Gib Deinem Kind innerhalb der gesetzten Grenzen genügend Freiraum und ermutige es, Dinge auszuprobieren und eigene Entscheidungen zu treffen. Vielleicht möchte Dein kleiner Schatz auf dem Boden schlafen, oder die Nudeln lieber ohne Soße essen, oder die Strumpfhose über die Leggings ziehen? Warum nicht? Diese kleinen Akte der Selbstbestimmung sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Unabhängigkeit.
Elterliche Gelassenheit und Geduld können dabei helfen, viele emotionale Ausbrüche zu vermeiden oder zu verkürzen. Wir wünschen Dir für diese spannende und herausfordernde Zeit jede Menge Geduld und Verständnis.
Dein glückskind-Team ♥
