Typische Schlafprobleme bei Babys und Kleinkindern: Fälle und Tipps aus der Praxis von Dr. Daniela Dotzauer
Ist ein Baby frisch auf der Welt, ist auch für seine Familie alles neu, spannend – und herausfordernd. Es gilt, als kleine Familie auf die Dauer einen neuen gemeinsamen Rhythmus zu finden, mit dem es möglichst allen gutgeht. Gar nicht so einfach! Vor allem, wenn mit dem Baby die Nacht zum Tag wird und die Eltern über längere Zeit keinen ausreichenden Schlaf finden. Das zehrt an den Kräften. Mütter und Väter, die sich nicht mehr zu helfen wissen und ihre persönliche Schlafsituation in der Familie ändern möchten, wenden sich häufig ratsuchend an Dr. Daniela Dotzauer.
Im Beitrag gewährt die Ärztin Einblicke in ihre Praxis und schildert die gängigsten Fälle in den jeweiligen Entwicklungsstufen vom Säuglings- bis ins Vorschulalter. Außerdem erläutert Dr. Dotzauer die dahinterliegenden Ursachen und gibt Tipps zum Umgang mit dem jeweiligen Schlafproblem.

Manchen Kindern fällt das Schlafen schwer. © JAYME BURROWS, Stocksy
Individuelle Hilfestellung bei Schlafproblemen
Seit vielen Jahren bietet Dr. Daniela Dotzauer Eltern-, Säuglings- und Kleinkind-Beratung an und unterstützt Familien bei Schlafproblemen – auch online. Die Ärztin weiß: "Viele Eltern sind verunsichert. Eine frühe Entlastung schützt die Eltern-Kind-Beziehung und ermöglicht die besten Chancen für eine gesunde Entwicklung." Unser glückskind-Beitrag mit der erfahrenen Ärztin möchte ratsuchenden Eltern Hilfestellung geben.
Allgemein gültige Regeln oder Vorgaben zum Thema Schlaf bei Kindern gibt es jedoch nicht. Jedes Baby ist ein besonderes und individuelles kleines Persönchen, und jede Familie ist anders. "Ich muss daher immer im konkreten Fall schauen, welche Tipps ich in puncto Schlaf – immer dem Alter des Kindes entsprechend – geben kann", sagt Dr. Daniela Dotzauer.
Jede Familie, in der es nach deren Empfinden mit dem Schlafen nicht rund läuft, muss letztlich auf die Dauer ihren eigenen Weg finden, der sich für sie richtig anfühlt. Babys, Kleinkinder und auch noch größere Kinder durchlaufen ganz normale Entwicklungsphasen, die auch mit veränderten Schlafgewohnheiten einhergehen können. Für manche Eltern ist es gar kein Problem, wenn die Kinder mit im Ehebett schlafen, für andere ist es hingegen kräftezehrend. Hier ist das Empfinden von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. "Wichtig ist, dass Eltern Schlaftipps nur umsetzen, wenn sie sie für sinnvoll und hilfreich halten, dass der Umgang mit dem Kind liebevoll ist und nichts erzwungen werden kann, was das Kind nicht selbst signalisiert" , betont die Ärztin.
Dr. Daniela Dotzauer erklärt, welche Voraussetzungen Kinder in unterschiedlichem Alter in puncto Schlafen mitbringen und wie Ihr eine gemeinsame Schlafroutine findet:
So schlafen kleine Säuglinge (0-4 Monate)
Schlafproblem:
In diesem Alter kommen in der Regel Eltern mit Babys zu mir, die tagsüber viel schreien, wenig schlafen, und freiwillig praktisch kein Auge zu machen - höchstens aus Erschöpfung - dann aber schnell wieder aufwachen und erneut schreien. Zu diesem Zeitpunkt schlafen die Babys nachts meist noch ganz gut.
Erklärung:
Einschlafen geht nur mit Ruhe und Entspannung! Kleine Säuglinge können sich in der Regel noch nicht allein beruhigen, sie brauchen die Unterstützung der Eltern. Natürlich geht das Beruhigen am leichtesten beim Stillen oder Saugen an der Flasche. Das löst mehrere Probleme auf einmal. Das Baby wird satt, ruhig und zufrieden, es genießt die Nähe, fühlt sich wohl und kann sich dem Schlaf überlassen. Das ist auch völlig normal und gut so. Nur was tun, wenn es nicht mehr beim Stillen und/oder Fläschchengeben einschläft, weil es bereits satt ist, nicht satt wird, älter geworden ist, es beim Papa einschlafen soll oder andere Gründe es vom gewohnten Still-Trink-Schlaf-Ritual abhalten? Ist es für jedes Alter sinnvoll, sich ausschließlich an der Brust zu beruhigen? Wie geht denn überhaupt Beruhigung? Wie kommt es dazu und wer stellt diese her? Ganz klar, beim kleinen Säugling helfen noch die Eltern. Doch Du kannst Dein Baby schon in diesem Alter unterstützen, den Weg zum Ruhigwerden, und damit auch in den Schlaf, zu finden.
Empfehlung:
- Ich empfehle, ein Schlafprotokoll zu führen, damit Du einen Überblick bekommst, wie der Tag eigentlich läuft, wie lange die Wachzeiten des Babys sind, wie viel es schläft und wie oft es trinkt.
- In diesem Alter ist es wichtig, auf altersgemäße Wachzeiten zu achten. Oft sind diese viel zu lange und der richtige Zeitpunkt des „Runterkuschelns“ ist verpasst (das Schlaffenster ist zu). Das Kind ist dann nicht mehr entspannt, sondern bereits erregt. In diesem Fall sind meist nur noch Stillen, das Tragetuch und ein strammer Spaziergang die Rettung.
- Tagesstruktur: Es ist wichtig, schon morgens darauf zu achten, dass regelmäßige Tagschläfchen immer wieder „das Gehirn des Babys aufräumen“ und es gar nicht erst zu einem Aufregungszustand kommt, welcher gegen Abend meist dazu neigt, zu entgleisen. Hilfreich ist auch, wenn Du darauf achtest, dass Dein Baby tagsüber den Hauptteil der Kalorien zu sich nimmt. Das heißt tagsüber ermöglichst Du dem Säugling ruhige, ausführliche Mahlzeiten und verlagerst diese nicht auf die Nacht.
- Für gutes Einschlafen braucht es im Wesentlichen zwei Faktoren: was ich als "Schlafdruck" bezeichne - also Müdigkeit und Wachstunden - und Schlafbereitschaft:
Das Baby ist ruhig und entspannt, satt und zufrieden und will nicht mehr unterhalten werden. Es kuschelt sich an, sucht Nähe und versucht einzuschlafen. Eltern sollten sich dabei Zeit lassen. Dies ist ein Prozess: selbst ruhig sein, tragen, singen, leises Erzählen und sanftes Wiegen. Bei Kindern, die auf äußere Reize leicht ansprechen, sollte man abdunkeln, um ihnen das Augenschließen zu erleichtern. - Daraus sollte eine Routine werden – eine Einschlafroutine. Zum richtigen Zeitpunkt - also wenn das Baby noch nicht aufgeregt, aber müde ist - kann ein immer gleichgestaltetes Ritual dem Baby helfen, sich zu entspannen, sich wohl zu fühlen und sich dem Schlaf zu überlassen. Das Baby lernt den Zusammenhang von Ruhigsein, Wohlgefühl und Schlaf. Im Laufe der Zeit baut es eine Schlaferwartungshaltung auf und lernt schon ein bisschen, zu seiner eigenen Entspannung beizutragen.
- Schnuller und Kuscheltier oder Kuscheltuch kann das Baby jetzt noch nicht selbst nutzen. Dazu benötigt es Deine Hilfe. Aber am Schnuller saugen kann das Baby schon alleine.
- Für dieses Alter ist es typisch, dass tagsüber überwiegend Leichtschlafphasen für häufiges Erwachen sorgen. Weiterschlafen wäre der Schlüssel, das geht aber nur mit Unterstützung. Es braucht eine „Weiterschlafsprache“, damit die Situation nicht eskalieren kann. Du kannst Dein Baby in so einem Moment schnell verbal beruhigen, ihm den Schnuller oder sein Kuscheltier oder -tuch geben, ihm die Augen liebevoll streicheln bis sie zufallen. Wichtig: sanfte Bewegung und ruhiger Lagewechsel, um die Schlafstimmung aufrechtzuerhalten.
So schlafen halbjährige Babys (5-8 Monate)
Schlafproblem:
Typisch für dieses Alter ist das häufige nächtliche Erwachen. Die Eltern berichten, dass ihr Baby in der Nacht alle zwei Stunden wach wird und das obwohl der Nachtschlaf im dritten Monat eigentlich noch ganz gut war. Die Mutter stillt nachts teilweise stündlich, häufig alle zwei Stunden. Die Tage werden ruhiger, Schreiattacken gibt es tagsüber meist keine mehr. Die Babys schlafen meist drei Mal am Tag, allerdings oft nur für eine halbe Stunde.
Erklärung:
Es ist normal, dass Kinder in diesem Alter häufig nachts aufwachen. Sie erwachen im Schlafphasenwechsel, der circa alle zwei Stunden in der Nacht stattfindet (tagsüber übrigens bereits nach 30 bis 45 Minuten) und vergewissern sich auf diese Weise, ob noch alles in Ordnung ist. Dabei vergleichen sie die Erwachens- mit der Einschlafsituation und fühlen sich beunruhigt, wenn diese voneinander abweichen. Das Baby schreit, damit Mama oder Papa ihm in dieser Situation wieder beim Ein- bzw. Weiterschlafen helfen.
Empfehlung:
- Zuerst einmal ist es hilfreich, wenn das Baby lernt, wie das Einschlafen gelingen kann: mit weniger Elternunterstützung und nicht nur mit saugen und schlucken, also durch Stillen oder das Fläschchen. Das lernt es am besten am ersten Tagschlaf. Das satte Baby, wurde im Vorfeld gestillt und ist dabei nicht an der Brust eingeschlafen (wichtig!). Das ist der richtige Zeitpunkt dafür, eine Einschlafroutine zu üben (abdunkeln, singen, leises erzählen, wiegen, tragen), jedoch ohne es weiter zu stillen und mit zunehmend weniger elterlicher Unterstützung, d.h. man legt das Kind schrittweise wacher ab.
Das Ziel ist es, das Baby, sobald es auf dem Arm ruhig wird (Einschlafroutine) zum Einschlafen friedlich ins Bett legen zu können. In kleinen Schritten kann sich das Baby daran gewöhnen und es als völlig normal erleben. Es wird sich dann nicht beschweren, dass Du es in sein Bettchen legst, sondern es wird einschlafen, weil die Eltern vorher auf "Schlafdruck" und seine Schlafbereitschaft geachtet haben. Den zweiten und dritten Tagschlaf kann man auch im Kinderwagen oder der Trage realisieren. - Selbststeuerbare Einschlafhilfen wie Schnuller und Kuscheltier oder -tuch sind für das Baby wichtige Bestandteile beim Ruhigwerden - sowohl in der Einschlafroutine als auch in der "Weiterschlafsprache". Den Schnuller, am besten an einem Schnullerband befestigt, kannst Du Deinem Baby in diesem Alter schon in die Hand geben und ihn dem Kind nicht mehr in den Mund stecken. Das Schnullerhandling ist gar nicht so einfach und sollte daher tagsüber geübt werden. In seinem Bettchen gibt es idealerweise mehrere Schnuller, sodass das Baby einen Schnuller finden kann, wenn es das möchte. Anstatt eines Schnullers können auch andere Helferlein miteinbezogen werden. Das Kuscheltuch oder -tier ist ebenfalls ein treuer Begleiter am Tag und in der Nacht und wird vom Baby in Tröste-, Beruhigungs- und Entspannungssituationen mit einem beruhigenden und schönen Gefühl verknüpft. Beides sind wichtige Bestandteile beim Ruhigwerden – sowohl in der Einschlafroutine als auch in der „Weiterschlafsprache“.
- Das Baby sollte nachts am besten noch im Elternzimmer sein und nicht ausquartiert werden. Denn jetzt beginnt die Phase, in der das Baby lernen kann, dass es das Einschlafen, Aufwachen und Wiedereinschlafen auch ohne jedes Mal zu trinken, meistern kann. Stille daher oder gib ihm das Fläschchen nur zum Sattwerden, nicht als Schlafhilfe, also etwa alle drei bis vier Stunden. Dazwischen kannst Du mit der Weiterschlafsprache beruhigen: „sch, sch, sch“, singen, summen, sanfte Bewegung, Lagewechsel, Kuschel, Schnuller, kurzes auf den Arm oder zu sich an die Seite nehmen. Um zu vermeiden, das das Baby schreit, muss es wirklich zügig unterstützt werden. So kann das Baby lernen, dass Aufwachen kein Problem ist und Weiterschlafen auch ohne zu trinken funktioniert. Im Übrigen kennt das Baby das schon vom Üben am ersten Tagschlaf.
So schlafen einjährige Kinder (9-14 Monate)
Schlafproblem:
Bei Kindern in diesem Alter kommt die Motorik in Gang, was neue Herausforderungen in Sachen Schlaf mit sich bringt: Das Kleinkind dreht und wendet sich in seinem Bett und zieht sich am Bettgitter hoch. Häufig kommen jetzt verzweifelte Eltern zu mir, welche ihre Kinder in den Schlaf stillen oder an der Flasche einschlafen lassen, sie festhalten, tragen oder immer noch den Pezziball und die Federwiege im Einsatz haben. Zusätzlich zu den Einschlafhilfen haben sich in diesem Alter auch verschiedene körperbezogene Beruhigungsstrategien verfestigt, wie beispielsweise die Hand halten, Brust kneten, Hautfalten oder Haare drehen. Die Kinder finden nur mit der Hilfe der Eltern in den Schlaf. Die Eltern dienen den Kindern quasi als „Kuschel- und Beruhigungsobjekt“.
Erklärung:
Einerseits möchten die Kinder neugierig ihre Umwelt entdecken, andererseits benötigen sie die Bezugspersonen als sicheren Hafen, um neue Herausforderungen zu meistern. Auch Einschlafen ist so eine Herausforderung, gewissermaßen eine Trennungssituation, für die es ein Handlungsschema braucht. In wie weit die Eltern in dieses Handlungsschema mit einbezogen sein wollen, ist individuell sehr unterschiedlich. Viele Eltern wissen sich jedoch nicht anders zu helfen und begleiten ihre Kinder durch Einschlafhilfen und Beruhigungsstrategien in den Schlaf. Beim zweistündlichen Schlafphasenwechsel in der Nacht fordert das Kind dann, weil es das nur so kennt, genau die zum Schlaf führende Beruhigungsstrategie weinend ein, wodurch der Schlaf allerdings ziemlich sicher verhindert wird.
Empfehlung:
- Das einjährige Kind muss wirklich müde sein. Um das zu gewährleisten, schaust Du auf die Wachstunden. Hilfreich ist es, die meist zwei kürzeren Tagesschläfchen jetzt auf einen zentralen, längeren Mittagsschlaf umzustellen. Dann ergeben sich längere Wachphasen, wodurch das Kind am Abend müder ist.
- Müde heißt allerdings nicht automatisch schlafbereit! Viele Eltern führen die Schlafbereitschaft herbei, indem sie ihr Kind beim Stillen oder Fläschchengeben einschlafen lassen. Dies bedeutet allerdings, dass das Kind lernt, "zum Schlafen muss ich erst mal trinken". Erwacht das Kind in der Nacht, möchte es daher logischerweise stets wieder trinken, um weiterschlafen zu können. Hilfreich ist es daher, das Einschlafen vom Stillen/Trinken zu trennen. Es gilt dann, stattdessen eine schöne Einschlafroutine (Kuschelzeit) ohne trinken zu etablieren. Das Zimmer wird abgedunkelt, um seinem Kind das Ruhig werden zu erleichtern. Das Kind wird durch Kuscheln zum Schlafen bereit. Dabei sind selbststeuerbare Einschlafhilfen weiterhin wichtig: Kuscheltier oder -tuch, Schnuller, wiegen, weniger tragen, ruhiges Erzählen oder singen. So wird Dein Kind schlafbereit und bekommt zwar mit, dass es schrittweise wacher in sein Bett gelegt wird, fühlt sich aber wohl damit. Ziel ist es, dass das Kind zunehmend weniger elterliche Unterstützung für das Einschlafen benötigt.
- Was tun, wenn das Kind aufsteht? Vermittle ihm, dass es sich wieder hinlegen soll. Wenn das Kind im Bett steht und Dir die Arme entgegenstreckt, nehme es nicht reflexhaft heraus, sondern beuge Dich lieber über das Bettgitter zu ihm hinunter und klopfe zum Beispiel auf die Matratze, um zu zeigen, dass es sich wieder hinlegen soll. Du kannst Deinem Kind auch ein paar Mal hinlegen, aber meist wird ein lustiges Aufsteh-Hinlege-Spiel daraus, das wach hält. Demonstriere Deinem Kind durch Gesten und Gähnen, dass Du selbst müde bist. Noch besser wäre es, wenn das Kind so schlafnah ins Bett kommt, dass es gar keine Lust mehr zum Aufstehen hat.
- Zum Vorgehen in der Nacht: Jede Mutter muss für sich entscheiden, wie oft sie nachts noch stillen möchte. Das Kind kann aber auch lernen, dass es nur abends und morgens gestillt wird, dass die Brust in der Nacht jedoch "schläft", sein Kuscheltier oder -tuch aber immer an seiner Seite und Mama auch nicht weit weg ist. Nächtliche Getränke aller Art kannst Du Deinem Kind schrittweise abgewöhnen: verdünnen, reduzieren und nach hinten schieben. Bis zum ersten Geburtstag sollte das geschafft sein. Das gilt auch für das Herausnehmen und Herumtragen. Wieder in Schritten: immer weniger Bewegung und kürzeres Herausnehmen oder nur so tun, als ob man das Kind nehmen würde und gleich wieder zurücklegen (up and down). Es bekommt schnell Rückversicherung, aber nur moderate Einschlafhilfe. „Sch, sch, sch - alles gut, leg dich hin, nimm deinen Schnuller oder dein Kuscheltier“. Günstig ist es, wenn das Kind im eigenen Bett neben Dir liegt, da kann es zügig beruhigt werden und es ist weniger Hilfestellung nötig. Schläft das Kind im Kinderzimmer, dauert es viel länger bis Du bei ihm bist, das Kind ist dann bereits viel wacher/aufgeregter und benötigt anschließend mehr Unterstützung oder sogar die gewohnte Maximal-Hilfsvariante.
Unterwegs mit Dr. Daniela Dotzauer
So schlafen Kleinkinder (1 -5 Jahre)
Schlafproblem:
In diesem Alter kommen häufig schlaflose Familien zu mir. Es kann sein, dass die Kinder am Bettgitter stehen oder aus dem Zimmer heraus kommen. Sie werfen ihren Schnuller oder das Kuscheltier aus dem Bett und schreien. Das Einschlafen dauert oft sehr lange - teilweise Stunden. Die Kinder fordern von ihren Eltern die gewohnten Einschlafhilfen ein: tags, abends und manchmal noch mehrfach nachts. Das zehrt vor allem nach jahrelanger Praxis an Nerven und Kräften der Kinder selbst, aber auch der Eltern. Einfachheitshalber werden die Kinder dann nachts mit ins Elternbett genommen, um den Weiterschlafservice unkomplizierter zu gewährleisten. Oft schlafen die größeren Kinder irgendwann zwar nachts durch, aber die abendliche Einschlafprozedur ist für alle Beteiligten häufig sehr anstrengend.
Erklärung:
Die Eltern bringen das Kind ins Bett und warten darauf, dass es einschläft. Im Gegenzug ist das Kind in Hab-Acht-Position, dass die Eltern auch ja nicht weggehen. Wer sich nicht entspannen kann, schläft nicht – sondern vermeidet den Schlaf. Die Eltern wollen natürlich in erster Linie, dass sich das Kind geborgen und sicher fühlt, daher beginnen sie mit der Schlafbegleitung. Anfangs klappt das ganz gut, das Kind schläft schnell - aber mit viel Elternhilfe - ein. Oft wird dann allerdings der Zeitpunkt verpasst, zu dem das Kind auch leicht selbstständig (mit Schnuller oder Kuscheltier) einschlafen lernen könnte. So übernehmen die Eltern das Beruhigen und den "Einschlafjob" und schleichen auf leisen Sohlen aus dem Zimmer. Das Kind vermisst dann aber beim nächtlichen Erwachen die aufmerksamen Eltern, schreit sie wach und fordert die gewohnte Einschlafhilfe durch die Eltern ein. Ziel soll es sein, seinem Kind zu vermitteln, wie es sich beruhigen und das Einschlafen selbst schaffen kann, um dann beim nächtlichen Erwachen auf eigene Strategien zurückgreifen zu können. Wenn ein Kind so aufwacht, wie es eingeschlafen ist, vermisst es nachts auch nichts und schläft einfach wieder ein - das Kind schläft scheinbar durch.
Empfehlung:
- Das Kind sollte wirklich müde sein!
- Schnuller und/oder nur Kuscheltier oder -tuch sollten ihm inzwischen sehr vertraut sein, besser noch geliebt werden. Sie begleiten das Kind tagsüber und sind immer mit dabei, so dass es sie bei Bedarf immer souveräner selbstständig nutzen kann. Solange für das Kind die Beruhigung abhängig von der körperlichen Anwesenheit der Eltern ist, wird es die abwesenden Eltern vermissen, sie herbei schreien und wachhalten. Selbstberuhigung wird damit verhindert. Dabei könnten sich Kinder in diesem Alter auch schon gut selbst beruhigen. Daher empfehle ich, die körperbezogenen, ritualisierten elterlichen Beruhigungsstrategien wie Hand halten, Busen kneten, Haare drehen schrittweise abzugewöhnen und durch das Kuscheltier zu ersetzen.
- Abendroutine: Am schwierigsten ist es für das Kind, ruhig und schlafbereit zu werden. Denn gerade am Abend treffen viele Bedürfnisse aufeinander. Die Eltern freuen sich auf den Feierabend, die Kinder auf die Eltern, welche jetzt scheinbar Zeit haben und zu Hause sind. Diese gemeinsame Zeit ist oft sehr turbulent. Als Eltern tut man sich leichter, wenn man die Kinder durch den Abend führt und darauf achtet, dass alles seine Zeit hat:
Essenszeit: möglichst früh zum Beispiel zwei Stunden vor dem Schlafengehen
Spielzeit/Badezeit: gerne interaktiv mit Papa oder Mama
Wickelzeit: es kehrt Ruhe ein, Wellness, Massage
Bilderbuchzeit: Ab jetzt bleibt das Kind ruhig auf dem Schoß und turnt nicht mehr herum! Eventuell mit stillen oder Flasche geben im Hellen und mit Kuscheltier
Kuschelzeit: Einschlafroutine im Dunkeln mit Schnuller/Kuschel und Elternteil
Schlafenszeit: anfangs mit zunehmend weniger Elternhilfe - später selbstständig - Kuschelzeit oder Einschlafroutine: (5-10 Minuten - je nach Befindlichkeit des Kindes)
Für mich ist das eine sehr wichtige Zeit des Tages. Es ist die Zeit, in der wir uns, unserem Kind ganz nah fühlen, in der emotionale Begegnung stattfindet und unser Kind schlafbereit wird. Beide Teile genießen es, miteinander zu kuscheln, noch leise den Tag durchzugehen und beim größeren Kind darüber zu sprechen, was das Schönste am Tag war. Es können auch Geschichten erzählt werden, ein Abschlusslied wird gesungen. In jedem Fall ist das Kuscheltier im Arm und das Licht aus und es entsteht eine Einstimmung auf das Schlafen. Das Kind ist ruhig, gähnt und möchte ins Bett oder will sich wegdrehen. Wichtig ist, dass das Kind dabei nicht einschläft, sondern die Eltern sagen "Gute Nacht", und verabschieden sich klar, solange das Kind noch was ist. Die Eltern ziehen sich dann schrittweise immer mehr zurück (wegschauen, wegdrehen, wegrücken) und sind irgendwann beim Einschlafen nicht mehr im Zimmer. - Die elterliche Aufmerksamkeit wird schrittweise vom Kind weggelenkt. Zuerst wegschauen, sich dann wegdrehen, wegrücken und schließlich weggehen. Die einzelnen Schritte werden anfänglich nicht, dann etwas besser und letztlich immer klappen, aber nur wenn man auf ruhige, sichere Art dran bleibt. Wer sich als Eltern zum Beispiel über das Bettgitter beugt und das Kind streichelt, macht jetzt die Augen zu, streichelt weniger, dann gar nicht mehr und stellt sich schließlich schlafend. Nächster Schritt wäre: nicht mehr über das Bett beugen, sondern vor dem Bett liegen, wegdrehen und schnarchen. Dazwischen das Kind nur mäßig beruhigen aber überwiegend weggedreht bleiben und „Schlafverhalten“ demonstrieren. Wer schläft, steht zur Regulation nicht zur Verfügung. Das Kind bekommt so die Chance zur Selbstregulation. Wenn wegdrehen klappt, kommt wegrücken: einfach sich immer weiter vom Kinderbett oder vom Kind im gemeinsamen Bett entfernen. Wenn wegrücken akzeptiert wird, kommt weggehen: Man kann das Zimmer verlassen, sich vor der Türe "beschäftigen" und von dort aus soziale Rückversicherung leisten („ich höre dich und bin da, leg dich hin, nimm dein Kuscheltier oder den Schnuller"). Bei Kooperation sofort loben. Das Kind einfach schreien lassen ist niemals eine Option! Dann muss ein Kompromiss gefunden werden. Ein kleinerer Schritt und erst wenn dieser gelernt ist und als normal erlebt wird, folgt der nächste Schritt.
Fazit:
Die mit den Eltern verknüpften Schlafgewohnheiten führen zu festen Erwartungen beim Kind. Anfänglich war es ganz klar ein Bedürfnis. Das kleine Baby braucht Unterstützung! Aber wann wird aus dem Bedürfnis eine Gewohnheit beziehungsweise eine Erwartung? Der Übergang ist fließend und es muss jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall erwartet das Kind das Gewohnte. Gegen diese festen Erwartungen muss und kann man als Eltern ruhig und beständig, in kleinen machbaren und altersgemäßen Schritten arbeiten. Dabei sollten Entwicklungsaspekte und das persönliche Temperament von Eltern und Kind berücksichtigt werden und keine „Brechstangenmethoden" oder Schlaflernprogramme zum Einsatz kommen.
Dein glückskind-Team