Frühchen: Ab wann lebensfähig?

Geschichten von Frieda, Europas jüngstem Frühgeborenem, das 2010 nach nur 21 Schwangerschaftswochen mit 460 Gramm in Fulda das Licht erblickte, machen Mut. Das gilt auch für Emilia aus Witten im Ruhrgebiet, die bei ihrer Geburt in der 26. Schwangerschaftswoche nur 229 Gramm auf die Waage brachte. Diese Extremfälle zeigen immer wieder, was heute bereits möglich ist- kleine Wunder. Denn ab wann Frühchen lebensfähig sind, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.
Frühchen: Brutkasten und Behandlung
In Industrienationen wie Deutschland haben Frühchen gute Überlebenschancen. Denn den Frühchen Frühgeborenen stehen neben dem Inkubator Inkubator (im Volksmund auch Brutkasten genannt), auch innovative Medikamente, auf die kleinen Körper abgestimmte Instrumente und moderne Behandlungsmethoden zur Verfügung. Daher gilt bei Frühchen und der Frage, ab wann sie lebensfähig sind, ein immer früherer Zeitpunkt. Es haben bereits Babys überlebt, die nur die Hälfte der normalen Schwangerschaftsdauer im Mutterleib verbringen konnten und die weniger als ein Päckchen Butter wogen.
★ glückskind-Tipp ★ Trotz aller medizinischen Fortschritte gilt, dass die Überlebenschancen für Frühchen mit jeder Woche im Mutterleib steigen. Daher dürfen sich werdende Eltern bei Problemen über jeden weiteren Tag der Schwangerschaft freuen.
Überlebenschance nach Schwangerschaftswochen
Bei der Frage nach den Überlebenschancen von Frühgeborenen kommt es auf verschiedene Faktoren an. Auf der einen Seite ist es wichtig, wie viele Wochen die Schwangerschaft bereits andauert. Andererseits spielt es eine große Rolle, wie schwer das Ungeborene ist, wenn es zu früh auf die Welt kommt. Grundsätzlich gilt: Wiegen Frühchen bei der Geburt weniger als 500 Gramm, haben sie nur geringe Überlebenschancen. Trotz bester medizinischer Betreuung schaffen es nur 20 bis 30 Prozent der Kinder.
Zusätzlich zum Geburtsgewicht kommt der Zeitfaktor. Die jeweiligen Schwangerschaftswochen und die Überlebenschancen sind in der Tabelle zusammengefasst:
Zeitpunkt der Frühgeburt | Überlebenschancen |
|---|---|
22. SSW | ??? |
23. SSW | 55% |
24. SSW | 71% |
25. SSW | 82% |
28. SSW und später | 95 Prozent |
Frühe Frühchen
Ab wann ein Frühchen lebensfähig ist, sagt leider wenig darüber aus, wie sein Leben später aussehen wird. Denn je unreifer bzw. jünger und leichter die Neugeborenen bei ihrer vorzeitigen Geburt sind, desto höher ist das Risiko für bleibende Schäden und Behinderungen. Dies liegt zum Beispiel an der für sehr unreifen Frühchen notwendigen Sauerstoffversorgung. Aufgrund der mangelnden Lungenreife können sie ohne künstliche Beatmung nicht überleben. Jedoch kann der Druck der maschinellen Versorgung das Lungengewebe dauerhaft schädigen oder zu einer Frühgeborenen-Retinopathie (Augenerkrankung) führen.
Weitere Risiken für besonders kleine Frühgeborene sind:
Komplikationen am Herz-Kreislauf-System
Schwierigkeiten mit dem Verdauungstrakt
Hirnschäden
Probleme mit der Lunge
Gestörtes Hör- und/oder Sehvermögen
Etwa 30 Prozent der „frühen“ Frühchen sind von langfristigen Beeinträchtigungen betroffen, wenn sie die ersten Tage nach der Geburt überleben. Mit jeder Woche im Mutterleib und jedem zusätzlichen Gramm Gewicht steigen nicht nur ihre Überlebenschancen, sondern auch das Risiko für Spätfolgen und dauerhafte Beeinträchtigungen sinkt.
Frühchen: lebensfähig durch erfahrene Ärzte
Nicht nur Alter und Geburtsgewicht bestimmen bei Frühgeborenen, ab wann sie lebensfähig sind. Auch das behandelnde Ärzteteam hat einen großen Einfluss auf die Chancen und die Entwicklung eines Frühgeborenen. Dabei gilt: Je erfahrener die Mediziner im Umgang mit den Allerkleinsten sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch anfangs sehr unreife Kinder überleben und sich gesund entwickeln können.
★ glückskind-Tipp ★ Experten raten daher dazu, wann immer möglich, eine spezialisierte Klinik (Perinatalklinik) aufzusuchen, wenn eine spontane oder indizierte Frühgeburt droht.
Frühchen: Ab wann sind sie gesetzlich lebensfähig?
Gerade bei Frühgeborenen stehen Eltern und Ärzte oftmals vor sehr schweren Entscheidungen. Deshalb hat der Gesetzgeber genau festgelegt, ab wann das Personal auf einer Frühchen-Intensivstation alles tun muss, damit das Baby überlebt.
Sobald ein Baby die 24. SSW im Bauch überstanden hat und die 25. SSW beginnt (SSW 24+0), wird es vom Gesetzgeber als lebensfähig eingestuft.
Wird es am Tag SSW 24+0 oder später geboren, sind die Ärzte verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit das Kind überlebt und sich gesund entwickeln kann.
Erblickt dagegen ein Frühchen bereits zwischen der 22. und 23. SSW das Licht der Welt, bewegen sich die Mediziner in einer rechtlichen Grauzone. Ab der 22. Woche verbietet das Gesetz einen den Spätabbruch einer Schwangerschaft (z. B. bei einer schweren Behinderung des Ungeborenen). Das heißt, theoretisch hat das Ungeborene spätestens ab dann ein Recht auf Leben. Allerdings besteht praktisch in dieser Phase ein hohes Risiko für dauerhafte geistige und körperliche Schäden. Daher gilt:
Klinik, behandelnde Ärzte und die Eltern entscheiden, ob ein Frühchen vor der 24. SSW auf der Frühchen-Intensivstation behandelt wird.
Dabei hilft die Leitlinie „Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit“ den Fachleuten, einzuschätzen, wie wahrscheinlich ein Frühchen lebensfähig ist.
★ glückskind-Tipp ★ Eltern von Frühchen tragen eine große Verantwortung und sollten sich immer bewusst sein, dass in einigen Fällen Loslassen der größte Akt der Liebe für ihr Kind sein kann. Ärzte, Hebammen und Psychologinnen oder Seelsorger sind die richtigen Ansprechpartner, um die individuell richtige Entscheidung zu treffen.
Frühchen: Ab wann werden sie nach Hause entlassen?
Eine große Frage für betroffene Familien ist, wie lange sie im Krankenhaus bleiben müssen. Als Faustregel gilt, dass gesunde Frühgeborene ohne besondere Komplikationen die Klinik etwa um den errechneten Geburtstermin (ET) herum verlassen dürfen. Je länger ein Baby im Mutterleib reifen durfte, desto eher trifft diese Schätzung zu. Wird ein Frühgeborenes dagegen sehr früh oder sehr leicht geboren, bleibt es oft noch einige Wochen über den errechneten Geburtstermin hinaus im Krankenhaus. Voraussetzung für die Entlassung ist meist eine kontinuierliche Zunahme und ein Gewicht von mehr als 2.500 Gramm.
Frühchen: Wie lange bleibt die Mutter im Krankenhaus?
Gibt es bei der Geburt keine Komplikationen, wirst Du als Mutter eines Frühgeborenen nicht anders behandelt als andere Mütter. Das heißt, nach einer vaginalen Geburt bleibst Du drei bis vier Tage auf der normalen Entbindungsstation. Nach einem Kaiserschnitt verlängert sich der Aufenthalt auf fünf bis sechs Tage. Danach wirst Du nach Hause entlassen. Je nach Entbindungsklinik gibt es verschiedene Optionen:
Du kannst Dein Baby im Anschluss täglich im Krankenhaus besuchen.
Eventuell ist auch eine Verlegung in eine Kinderklinik erforderlich, die Euch ein Eltern-Kind-Zimmer anbieten kann.
In einigen Krankenhäusern ist es möglich, gegen Zuzahlung ein Zimmer für die Eltern zu buchen (z. B. im Schwesternheim).
Ist die nächste Frühchen-Intensivstation weit von zu Hause entfernt, kann eine Unterbringung der Mutter in einem Ronald McDonald Haus in der Nähe der Kinderklinik eine Option sein. Insgesamt gibt es in Deutschland 23 solcher Unterkünfte.
Wie geht es nach der Frühgeburt weiter?
Vergiss nicht, dass Du als Mutter oder Vater eines Frühchens jede Unterstützung annehmen darfst, die Du bekommen kannst:
Scheue Dich nicht, Ärzten, Pflegepersonal und Hebammen alle Fragen zu stellen, die Dir in den Sinn kommen.
Spanne Familie und Freunde ein, um Aufgaben im Haushalt oder die Betreuung von größeren Kindern oder Haustieren zu übernehmen- sie helfen Dir sicherlich gerne so viel sie können..
Nimm Kontakt zu anderen Eltern in ähnlicher Situation auf und tausche Dich aus.
Vergiss dabei nicht Deine eigenen Bedürfnisse und gönne Dir gutes Essen, Ruhe und ab und zu Abstand. So hast Du die Kraft, für Dein Baby da zu sein.
Wir wünschen Euch alles Gute für die Zukunft!
Dein glückskind-Team ♥