Baby Led Weaning: Fingerfood für Dein Baby
Ein Brokkoliröschen in der Faust, Glück im Gesicht und grüne Matschepampe verteilt rund um den Babystuhl – so kann es aussehen, wenn Babys keinen Brei bekommen, sondern sich auf eigene Fäustchen ans Essen wagen. Der Trend in der Babyernährung nennt sich Baby Led Weaning, oder kurz: BLW. Wie die Beikosteinführung gelingt, welche Lebensmittel sich eignen und was es noch zu beachten gibt, erklärt Dir unser Ratgeber.
Was ist BLW fürs Baby?
Baby Led Weaning bedeutet so viel wie die Entscheidung Deines Babys sich von der Muttermilch oder der Babynahrung aus der Flasche zu lösen – wobei das Baby das Tempo selbst vorgibt. Sprich: Dein Baby darf eigenständig und selbstbestimmt einen Geschmack fürs Essen entwickeln. Dabei geht es erst einmal weniger darum, dass die Portionen und der Nährstoffgehalt stimmen. Vielmehr zielt BLW darauf ab, dass die kleinen Kinder verschiedene Lebensmittel mit allen Sinnen erkunden.
Auch Samara, inzwischen 5 Jahre alt, durfte sich eigenhändig ins Abenteuer Essen stürzen. „Meine Tochter fand pürierte Nahrung scheußlich. Ich bot ihr stattdessen – genau, wie es vor der Erfindung des Pürierstabes üblich war – Fingerfood an und sie griff mit Begeisterung zu“, erinnert sich ihre Mutter Kathrin Szabó (37). „Diese Methode hat Samaras Geschmack nachhaltig geprägt“, meint die junge Mutter und erzählt von Samaras ungewöhnlichem Nikolauswunsch: eine Gurke!
Woher kommt Baby Led Weaning?
Die Grundlagen dieser revolutionär anmutenden Ernährungsform beruhen auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und einer Studie von Gill Rapley. Sie ist die stellvertretende Direktorin der Baby Friendly Initiative der britischen UNICEF. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hat viele landläufig bekannte Ratschläge – wie die langsame Einführung einzelner Lebensmittel und die strikte Vermeidung potenziell allergener Nahrungsmittel wie Weizen, Ei und Fisch – aufgehoben. Damit steht diesem Neustart in der Babyernährung nichts im Weg.
„Essen und Ernährung stehen anfangs unabhängig voneinander.
Wofür steht „Beikost nach Bedarf“?
Der von Gill Rapley geprägte Begriff „Baby-Led Weaning“ (BLW) wird in Deutschland zunehmend mit „Beikost nach Bedarf“ übersetzt. Das Besondere an diesem Konzept ist, dass das Kind selbständig und spielerisch Nahrungsmittel ausprobiert. Das erleichtert ihm den Übergang zur festen Nahrung. Außerdem nimmt das Baby an den Familienmahlzeiten teil und entscheidet selber, was und wie viel es von dem angebotenen Essen zu sich nehmen möchte.
Im Anschluss an die Mahlzeit wird das Kind gestillt oder bekommt Flaschennahrung, um satt zu werden und alle notwendigen Nährstoffe zu erhalten. „Es ist wichtig, dass sich die Eltern bewusst sind, dass für einige Zeit Essen und Ernährung unabhängig voneinander stehen“, erklärt Hebamme Bettina Breunig. „Essen ist das Erkunden des Kindes, während die Ernährung durch das Stillen gewährleistet wird.“
Mit dem Essen spielt man nicht? Pustekuchen!
Vorbei sind die Zeiten, in denen die alte Devise „Mit dem Essen spielt man nicht“ galt. Wer Beikost nach Bedarf praktiziert, erlebt augenblicklich, dass Essen ein tolles Spielzeug ist.
„Die meisten aus unserem Familien- und Freundeskreis waren verblüfft, einige ängstlich.“
Man kann matschen, werfen, malen, lutschen, nagen, schlecken, saugen oder mümmeln. Und wer das nicht mag, der kann ausspucken oder einfach alles aus dem Mund rausschieben und im Gesicht verschmieren. „Die meisten aus unserem Familien- und Freundeskreis waren verblüfft, einige ängstlich“, erzählt Kathrin Szabó. „Erst als Samara die ersten BLW-Wochen problemlos überlebt hatte, staunten sie, wie gut dieses kleine Wesen mit fester Nahrung zurechtkommt.“
★ glückskind-Tipp ★: "Baby Led Weaning" bedeutet frei übersetzt so viel wie "babygeführte Beikosteinführung" - das schließt den Genuss von Brei und Fruchtpüree nicht aus! Dein Baby bestimmt, was es essen, genießen und erfahren möchte.
BLW-Rezepte: Lecker durch den Tag
Ein positiver Nebeneffekt von BLW ist, dass Dein Baby praktisch fast alles am Familientisch mitessen kann: wie zum Beispiel gedünstetes Gemüse, gekochtes Ei oder gut durchgegarte Fleischstücke. Der Pürierstab bleibt also im Küchenschrank. Denke daran, mit Gewürzen und vor allem Salz eher sparsam zu sein. Daher sind Fertiggerichte und frittiertes Essen weniger geeignet. Stark zuckerhaltige Speisen gehören ebenfalls nicht auf den Teller.
Hier haben wir für Dich ein paar Ideen für einen leckeren BLW-Speiseplan zusammengestellt.
BLW zum Frühstück
Morgens beim Frühstück schmecken je nach Vorliebe herzhafte und süße Gerichte:
- Porridge mit Früchten
- Brötchen oder Toast mit Butter
- Bananen-Pfannkuchen
- Käsestückchen
- Eier
BLW zum Mittagessen
Mittags ist Abwechslung angesagt:
- Fingerfood wie Ofenkartoffeln oder gedünstete Gemüsesticks
- Fischfilet ohne Gräten
- Gemüsebällchen aus klein geraspeltem Gemüse, Kichererbsenmehl und frischen Gartenkräutern
- Pasta mit Soße
- Linsensuppe
BLW zum Abendessen
Je nachdem, ob Deine Familie abends eher warm oder kalt ist, bieten sich unterschiedliche Speisen an:
- Kartoffelsalat und selbst gemachte Chicken-Nuggets
- Vollkornbrot mit Aufstrichen und Dips wie z. B. Hummus
- Omelette
- Gurkenscheiben als Beilage
6 Fragen und Antworten zu BLW
Wann ist mein Kind bereit dafür?
Wann ist mein Kind bereit dafür?
Ab wann BLW geeignet ist, hängt von der individuellen Entwicklung Deines Kinds ab. Sobald das Baby Interesse an dem Essen der Erwachsenen zeigt, ist der Zeitpunkt gekommen, Beikost nach Bedarf auszuprobieren.
Für den Start mit BLW gilt als Richtwert ungefähr ein Alter von sechs Monaten. Das Baby sollte aufrecht sitzen können. Autositz und Babywippe als Sitzplatz beim Essen sind ungeeignet. Auf dem Kinderstuhl oder auf dem Schoß hingegen lässt sich die Gefahr des Verschluckens deutlich verringern. Babys haben übrigens einen weit vorgelagerten Würgereflex, der ebenso wie der Hustenreflex einen gewissen Schutz vor dem Verschlucken bietet. Trotzdem solltest Du Dein Kind beim Essen niemals alleine lassen.
Was steht auf dem Speiseplan?
Was steht auf dem Speiseplan?
Besonders geeignet ist Fingerfood in Form von gekochtem oder dampfgegartem Gemüse wie Brokkoli, Zucchini, Möhre oder Pastinake. Aber Du kannst auch Kartoffeln, Nudeln, Käse, gekochte Eier oder grätenfreien Fisch reichen. Wichtig dabei ist, dass die Nahrung so groß ist, dass das Baby sie mit der ganzen Hand fassen kann. Den Pinzettengriff beherrschen sechs Monate alte Babys noch nicht. Für Nüsse, Fisch mit Gräten, Fast Food, Honig und stark gewürzte Speisen sind sie ebenfalls noch zu klein.
Wie steht es um das Allergierisiko?
Wie steht es um das Allergierisiko?
Es gibt Theorien, dass Babys von sich aus Lebensmittel mit Allergierisiko meiden – wenn sie gemäß der BLW-Methode selbstbestimmt über ihr Essen entscheiden dürfen. Davon ist auch Hebamme Bettina Breunig aus Hamburg überzeugt: „Babys greifen nicht nach Nahrungsmitteln, die sie nicht vertragen würden.“ Wem diese Theorie zu verwegen klingt, der sollte mit seinem Kinderarzt Rücksprache halten. Das gilt ganz besonders dann, wenn Allergien in der Familie vorkommen.
Was sind die wichtigsten Vorteile?
Was sind die wichtigsten Vorteile?
- Das Essen mit den Fingern fördert motorische Fähigkeiten wie die Koordinationsfähigkeit, das gezielte Greifen und das Erlernen des Pinzettengriffs. Außerdem trainiert das Baby beim Kauen, Schlucken, Lecken und Saugen die koordinierte Bewegung des Mundapparates und der Zunge ebenso wie die Muskulatur. Damit schafft es Voraussetzungen für das Sprechenlernen.
- Manche Babys verweigern ihren Brei und bleiben lieber bei der Milchnahrung. Das ändert sich vielleicht, wenn sie selbst Hand anlegen dürfen.
- Bei Babys ist die Bereitschaft, sich auf eine neue Konsistenz und Geschmacksrichtung einzulassen, vergleichsweise groß. Nahrungsmittel, die das Baby früh kennenlernt, haben gute Chancen, auch später noch vom Kleinkind akzeptiert zu werden.
- Babys, die mit Brei gefüttert werden, schlucken häufig mehr, als es für ihr Alter und ihre Größe angemessen ist. Breibabys neigen daher häufiger zu Übergewicht.
- Ein entscheidender Vorteil für die ganze Familie: Die Mahlzeiten finden gemeinsam statt und keiner muss das Füttern übernehmen.
Und was sind die Nachteile?
Und was sind die Nachteile?
Mütter, die ihre Babys mit Brei füttern, haben einen relativ guten Überblick über die Nahrungsmengen. Wer aber Beikost nach Bedarf anbietet, der gibt ein Stückchen Kontrolle ab. Dafür ist Vertrauen nötig. Daran kann sich auch Kathrin Szabó erinnern: „Samara aß im Vergleich zu Gleichaltrigen nur Minihäppchen. Muttermilch war fast bis zum ersten Geburtstag ihr absoluter Favorit und Sattmacher.“
Gibt es einen Mittelweg?
Gibt es einen Mittelweg?
Manche Eltern machen beides: Sie füttern mit Brei und geben Beikost nach Bedarf. Je nachdem, wo sie sich aufhalten. Zu Hause darf das Baby selber zum Essen greifen, im Restaurant oder zu Besuch bei Freunden und Familie wird gefüttert. Entscheidend ist, ob das Kind mitmacht.
Buchtipp: Gill Rapley: Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg. Erschienen am 30. September 2013 im Kösel Verlag, 256 Seiten.
Blogtipp: Seit der Geburt ihrer Tochter betreibt Kathrin Szabó den Blog www.nestling.org. Hier gibt es Informationen und Erfahrungsberichte zum Stillen, zum Babyschlaf und natürlich zu Baby-led Weaning.
Dein glückskind-Team ♥