Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft

Ein Kind auszutragen, ist eine enorme Belastung. Gut, wenn der Partner auch Zeit und Gefühle investiert. © iStock
Wenn sich der Bauch zu einer kleinen Babykugel wölbt, passiert auch im Körper der werdenden Mutter ganz viel: Die Hormone fahren in der Schwangerschaft buchstäblich Achterbahn – und damit geht bei vielen ein Auf und Ab der Emotionen einher. In die Vorfreude auf die Geburt und die Glücksgefühle mischen sich zudem häufig Sorgen und Ängste. Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft sind daher absolut normal. Doch das Wechselbad der Gefühle kann nicht nur die werdende Mutter, sondern auch die Partnerschaft belasten. Das Baby im Mutterleib erspürt ebenfalls die Empfindungen und die Gefühlslage der Mutter. Was jetzt gut tut und wo Du Hilfe findest, erfährst Du hier.
Wie äußern sich Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft?
Einige Paare, die sich so sehr ein Kind gewünscht haben, sind dann überrascht oder gar schockiert, wenn sich während der Schwangerschaft plötzliche und unvorhersehbare Stimmungswechsel einstellen. Es kann vorkommen, dass werdende Mütter ohne erkennbaren Grund gereizt reagieren oder schnell zu Tränen gerührt sind. Solche emotionalen Höhen und Tiefen sind jedoch nicht ungewöhnlich und werden oft durch hormonelle Veränderungen, Unsicherheiten und die körperlichen Beschwerden der Schwangerschaft beeinflusst.
Es ist wichtig für alle Familienmitglieder, Verständnis für diese Schwankungen zu zeigen und unterstützend an der Seite der werdenden Mutter zu stehen. In dieser besonderen Phase ist Geduld, Einfühlungsvermögen und Kommunikation besonders wichtig. Es kann helfen, sich über die emotionalen Herausforderungen einer Schwangerschaft zu informieren, um gemeinsam diese besondere Zeit so positiv wie möglich zu gestalten.
- Die Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft im 1. Trimester äußern sich oftmals durch Jubelgefühle über einen positiven Schwangerschaftstest, gefolgt von Unsicherheiten und Sorgen über die Gesundheit des Babys. Bei einer ungeplanten Schwangerschaft kommt eventuell ein Zwiespalt der Gefühle hinzu.
- Die Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft im 2. Trimester sind geprägt durch die körperlichen Veränderungen, die Schwangere unterschiedlich stark belasten. Nach der 12. Woche stabilisiert sich die Hormonlage zwar etwas, dennoch sind emotionale Höhen und Tiefen möglich.
- Die Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft im 3. Trimester drehen sich häufig um die bevorstehende Geburt. Hier tauchen möglicherweise wieder Ängste auf, die Du schon in den ersten Schwangerschaftswochen gespürt hast. Der große Babybauch verursacht vermehrt Beschwerden, wie Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit und weitere Befindlichkeiten.
★ glückskind-Tipp ★ Ab wann Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft beginnen und wie deutlich sie sich äußern, ist bei jeder Frau unterschiedlich. Falls Du aber über längere Zeit kaum Freude empfindest und antriebslos bist, suche Dir in jedem Fall professionelle Hilfe. Denn psychische Probleme treten nicht erst nach der Geburt auf – auch während der Schwangerschaft sind Depressionen möglich, die gesundheitliche Folgen für Dich und Dein Kind haben können.
Warum treten Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft auf?
Viele angehende Paare erleben die Zeit der Schwangerschaft auch zeitweise als Herausforderung, weiß Ulrich Gerth, Vorsitzender des Fachverbands für Erziehungs-, Familien- und Jugendberatung (bke). „Natürlich ist die Freude über das heranwachsende Leben bei beiden Elternteilen groß. Andererseits stellt eine Schwangerschaft die Paarbeziehung auf eine harte Probe. Schließlich müssen aus zwei Personen drei werden – es entsteht eine völlig neue Rollenkonstellation“, erklärt der Diplom-Psychologe.
Hormone sind schuld
Hormone sind schuld
Einen großen Anteil an Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft haben die Hormone: Konkret geht es hier um Progesteron, Östrogen und Humanes Choriongonadotropin (HCG). Die Botenstoffe sind dafür zuständig, wichtige Prozesse im Körper der Schwangeren zu steuern. Gleichzeitig beeinflussen die Hormone allerdings auch, wie Du Dich fühlst und wie Du in verschiedenen Situationen reagierst. Die hormonellen Veränderungen spürst Du wahrscheinlich auch daran, dass Du gerade in den ersten Schwangerschaftsmonaten häufiger müde bist oder Kopfschmerzen hast.
Körperliche Veränderungen und Belastungen
Körperliche Veränderungen und Belastungen
Ein Kind auszutragen, ist für eine Frau eine enorme Belastung – sowohl physisch als auch psychisch. Je stärker die sichtbaren Veränderungen hinzukommen, sprich: sich der Bauch rundet, desto größer sind die körperlichen Einschränkungen. „Viele Frauen fühlen sich irgendwann unwohl in ihrer Haut.“, erklärt Ulrich Gerth. Die körperlichen Veränderungen machen zudem erst richtig bewusst, welche neue, verantwortungsvolle Aufgabe ein Kind bedeutet. „Das fordert Energie. Da kann man schon mal dünnhäutig und empfindlich werden“, sagt der Experte.
Das Baby rückt in den Mittelpunkt
Das Baby rückt in den Mittelpunkt
In Erwartung eines Babys rücken viele Schwangere das Ungeborene ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Dies kann zu einer veränderten Dynamik in der Partnerschaft führen. Dies kann dazu führen, dass die gewohnten Aktivitäten und sozialen Interaktionen in den Hintergrund treten.
Für den Partner oder die Partnerin kann diese Veränderung manchmal überraschend und herausfordernd sein. Es entsteht möglicherweise das Gefühl, dass die eigenen Bedürfnisse und Emotionen nicht mehr im Vordergrund stehen. Diese Intensivierung der Mutter-Kind-Bindung hat jedoch tief verwurzelte biologische Gründe. Es handelt sich um einen natürlichen Instinkt, der die Fortpflanzung und den Schutz des Nachwuchses sicherstellen soll. Daher ist es wichtig zu verstehen, dass diese verstärkte Fokussierung auf das ungeborene Baby ein Teil des Prozesses ist und nicht zwangsläufig eine dauerhafte Veränderung in der Beziehung bedeutet. Es erfordert Geduld, Verständnis und Kommunikation, um gemeinsam durch diese besondere Phase zu gehen.
Die Geburt eines Kindes: Eine neue Dynamik in der Partnerschaft?
Mit der freudigen Nachricht über die Schwangerschaft tauchen oft auch neue Gefühle und Herausforderungen in der Partnerschaft auf. Diese Veränderungen resultieren nicht nur aus den natürlichen hormonellen Schwankungen während der Schwangerschaft, sondern auch aus der Neuorientierung beider Partner, die sich auf das Elternsein einstellen. Diverse Themen können in den Vordergrund rücken: Von der Anpassung an veränderte Rollenbilder über die Intimität in der Beziehung bis zu Fragen und Gedanken über die zukünftige Familienplanung. Dabei ist es völlig normal, dass Paare während dieser Umstellungsphase Diskussionen und Reflexionen durchlaufen. Mit Offenheit, Verständnis und Kommunikation können sie diese besondere Zeit gemeinsam meistern.
Empathie und Gefühle des werdenden Partners
Während einer Schwangerschaft stehen nicht nur die emotionalen Erfahrungen der werdenden Mutter im Mittelpunkt. Auch Männer oder die nicht schwangere Partnerin erleben tiefgreifende Gefühle und Überlegungen. Die Vorfreude auf das Kind wird oft begleitet von Gedanken und Fragen bezüglich der neuen Rolle und Verantwortung. Es können auch natürliche Sorgen über die finanzielle Zukunft und die gemeinsamen Herausforderungen auftauchen. Es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass sie das Gefühl haben, die Schwangere fokussiert sich stärker auf das bevorstehende Familienmitglied. Während es generell ein verbreitetes Phänomen sein kann, dass Männer seltener über ihre Gefühle sprechen, ist es entscheidend, während dieser besonderen Zeit offen für den Dialog und das Verständnis beider Partner zu bleiben.
Partnerschaftlich durch die Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft kann für viele Frauen eine Zeit sein, in der sie sich wünschen, dass ihr Partner oder ihre Partnerin aktiv und empathisch an der Erfahrung teilnimmt. Dieses gemeinsame Erleben stärkt nicht nur die Bindung zwischen den Partnern, sondern schafft auch ein unterstützendes Umfeld, in dem sich beide auf die bevorstehende Elternschaft vorbereiten können. Es geht darum, Verständnis und Nähe zu zeigen und gemeinsam die Freuden und Herausforderungen dieser besonderen Phase im Leben zu meistern.
- „Übernehmt gemeinsam typische Nestbau-Aufgaben“, rät Ulrich Gerth dem Partner oder der Partnerin in diesem Fall. „Richtet gemeinsam das Kinderzimmer ein oder und bastel ein Kinderregal, wenn Du handwerklich begabt bist. Das signalisiert Deiner Partnerin: Ich partizipiere an der Schwangerschaft und investiere Zeit und Gefühle.“
- Dasselbe gilt in puncto Freizeit: Werdende Väter oder nicht schwangere Mütter müssen ihre Hobbys selbstverständlich nicht komplett aufgeben, „aber merklich reduzieren“, so Ulrich Gerth. Dies zeigt der Partnerin nicht nur, dass sich mit der Schwangerschaft auch beim anderen Elternteil vieles ändert – es ist ganz nebenbei auch eine gute Übung für später, wenn das Kind auf der Welt ist.
- Suche häufiger ein vertrauensvolles Gespräch mit Deinem Partner oder Deiner Partnerin. Sprecht über Eure Gefühle, Wünsche und Sorgen. Emotionale Unterstützung ist jetzt besonders wertvoll und stellt die Weichen für Euer künftiges Familienleben. Bei tiefgreifenden Konflikten kann gegebenenfalls eine Paartherapie sinnvoll sein.
Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft: Was fühlt das Baby?
Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren viel Neues über die Entwicklung im Mutterleib und über die Lebenswelt von Ungeborenen herausgefunden. So erhält unser Leben nicht erst nach der Geburt, sondern schon vor und während der Geburt ganz entscheidende Prägungen. Im Babybauch kommt deutlich mehr aus der Umwelt an, als ursprünglich bekannt war.
Wie funktioniert die Übertragung der Gefühle?
Die Gefühle werden über Hormone und weitere Botenstoffe übertragen. Früher herrschte die Ansicht, die Plazenta sei eine Barriere, die gegen alles schütze. Gegen das, was in der Außenwelt, und sogar gegen das, was in der Mutter vorgehe. Doch: Die Plazenta ist kein Filter, der alles Negative zurückhält, und die Gebärmutter kein isolierter Raum, der den Fötus von allen äußeren Einflüssen abschirmt. Die Plazenta ist ganz im Gegenteil ein Übertragungsorgan – für wichtige Nährstoffe, aber auch für prägende Gefühle während der Entwicklung im Mutterleib. Über die Plazenta vermitteln sich die physiologischen Befindlichkeiten der Mutter.
Wie ein Kind die Gefühle der Mutter bereits im Bauch miterlebt – wir haben darüber mit Ludwig Janus, Psychotherapeut und Pränatalexperte, gesprochen.
Janus ist Psychotherapeut in eigener Praxis in Dossenheim (bei Heidelberg). Er ist außerdem als Dozent und Supervisor an psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Weiterbildungsinstituten tätig und Autor zahlreicher Publikationen zur pränatalen und perinatalen Psychologie und zur Psychohistorie.
Inwieweit ist das Baby mit seiner Umwelt verbunden – und ab wann etwa?
Ludwig Janus: Das Kind lebt vor der Geburt von Anfang an in den Gefühlen, Empfindungen und Befindlichkeiten der Mutter. Das ist seine Welt, mit der es sich auseinandersetzen und auf die es sich einstellen muss und die es für seine Entwicklung nutzt.
Werden sowohl Stress- als auch Glücksgefühle direkt auf das Kind übertragen?
Ludwig Janus: Die Muster dafür sicherlich. Die Gefühlslage der Mutter wirkt sich auf den Zustand des Kindes aus.
Inwieweit prägt das die Persönlichkeit des Kindes?
Ludwig Janus: Die Zeit im Bauch prägt in einer tiefen Weise. Es ist gewissermaßen eine Vorbereitung auf die Anforderungen der Außenwelt – so, wie sie Mutter und Kind während der Schwangerschaft erleben. Wenn die Mutter viel Stress hat, ist das Kind stresstrainiert, sprich, es wird später auch eher empfindlich auf Stresssignale reagieren. Ist die Mutter sehr ängstlich, wird auch das Kind davon beeinflusst, muss also möglicherweise auf ein Stück Urvertrauen verzichten. Fühlt sich die Mutter wohl, so lernt auch das Kind, seine Gefühle auszugleichen.
Muss ich mir als werdende Mutter da nicht unentwegt Sorgen um mein Kind machen?
Ludwig Janus: Nein, zur Sorge besteht kein Grund. Im Gegenteil, lass es Dir als werdende Mutter unbedingt gut gehen! Ich will vielmehr dazu ermuntern, dass sich die Frauen Hilfe und Unterstützung holen. Bisher beschränkt sich die Schwangerschaftsbegleitung ja eher auf den medizinischen Bereich. Wie wichtig jedoch die Bindung zum Kind bereits vor der Geburt ist, ist in unserer Gesellschaft leider noch nicht wirklich angekommen. Ich wünsche mir viel mehr emotionale Unterstützung für werdende Mütter und Väter – so, wie es beispielsweise mit der Mutter-Kind-Bindungsanalyse gemacht wird.
Tipps für gute Laune in der Schwangerschaft
Entscheidend für Dein psychisches Wohlbefinden ist zunächst, dass Du Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft als natürliche Nebenerscheinung annimmst. Du darfst ruhig mal traurig, frustriert und gereizt und dann wieder himmelhochjauchzend sein. Viele Schwangere fühlen sich nach einem Stimmungstief gleich wieder besser, wenn Sie diese Strategien ausprobieren:
- Gönn Dir eine Schwangerschaftsmassage, die Spannungen löst und die Seele streichelt.
- Verabredet Euch als Paar zu einem romantischen Date, bei dem es mal nur um Euch beide geht.
- Buche einen Babymoon – dabei handelt es sich um eine Urlaubsreise für Schwangere und ihre Partner oder Partnerinnen, bei der Du Dich noch einmal so richtig erholen kannst vor der Geburt.
- Unternimm leichte sportliche Aktivitäten in der Natur, wie einen Spaziergang oder eine gemütliche Radtour.
Frühe Hilfen: für Kontakt von Anfang an
„Wir kommen aus einer Tradition, nach der das menschliche Leben erst nach der Geburt anfängt. Daher beginnt zurzeit die Unterstützung von Eltern auch erst deutlich nach der Geburt. Die entscheidenden Vorprägungen geschehen aber in der Zeit vor der Geburt und durch die Bedingungen der Geburt selbst“, erklärt Ludwig Janus.
Er empfiehlt eine Bindung von Anfang an: „Es gibt mit der sogenannten Mutter-Kind-Bindungsanalyse heute eine Methode zur Förderung der vorgeburtlichen Mutter-Kind-Beziehung. Dabei lernt die Schwangere, ganz bewusst mit ihrem Baby in Kontakt zu treten und so schon vor der Geburt eine tiefe Beziehung mit ihm aufzunehmen. So lassen sich bei der vorgeburtlichen Beziehung ganz neue Potenziale erschließen.“
Experten-Buchtipps – wenn Du noch etwas tiefer einsteigen möchtest:
- Ludwig Janus: Wie die Seele entsteht: Unser psychisches Leben vor und nach der Geburt. Mattes Verlag
- Ludwig Janus: Die pränatale Dimension in der Psychotherapie. Mattes Verlag
- Helga Levend und Ludwig Janus: Bindung beginnt vor der Geburt. Mattes Verlag
Dein glückskind-Team ♥